Das ganze Leben
The entire life
La vie entière

Dezember 2010

Kunst, Besitz und Dialog

In der bildenden Kunst gibt es Liebhaber die Werke in Auftrag geben und solche die fertige Kunstwerke kaufen. Manches Kunstwerk wäre ohne Liebhaber nie geschaffen worden. Gemäss unserem Verständnis von Besitz ist es einfach: Jemand hat das Werk ermöglicht und bezahlt. Er wird es bei sich zu Hause oder in seinem Museum aufbewahren.

Beim bedeutenden Kunstwerk stellt sich die Frage wie weit die Öffentlichkeit einen Anspruch auf die Zugänglichkeit zum Werk hat. Sicher ist es so, dass gewisse Fachleute mindestens zeitweise Zugang zum Werk haben müssen. Und die Öffentlichkeit im weitesten Sinne, die Japaner und die Afrikaner? Soll ein wichtiges Werk wirklich nur Fachleuten und vielleicht Menschen, die nicht allzu weit weg wohnen, zugänglich sein? Mit der Technik von heute ist dieses Problem leicht zu lösen, ohne dass an den Besitzverhältnissen gerüttelt werden muss. Ohne sehr grossen Aufwand lassen sich detailreiche fotografische Reproduktionen und Ansichten von erstaunlicher Farbtreue erstellen und ins Internet bringen, sodass sie jedermann zugänlich sind.

Oft gehören hochauflösende Detailaufnahmen dazu. Warum? Zum Beispiel der Impressionismus will das glänzende, funkelnde und lebendige Licht einfangen. Das lässt sich nur zeigen, wenn der Farbauftrag und der Pinselstrich, der unbestimmt, harmonisch, wild oder dynamisch sein kann, im Massstab 1:1 gesehen werden können. Beim dreidimensionalen Werk sind die Oberfläche und die Patina von grundlegender Bedeutung, denn sie zeigen das Material aus dem das Werk geschaffen wurde, sowie die Spuren der Verarbeitung und die Spuren, die in der Zeit nach der Fertigstellung entstanden sind. Deshalb sind auch hier Detailaufnahmen wichtig. Viele Bilder gehören der Öffentlichkeit. Es ist widersinnig wenn diese im Museumskeller im kühlen dunklen Edelgas eingelagert sind, ohne dass die Öffentlichkeit diese überhaupt zur Kenntnis nehmen kann.

Vor- und Nachteile einer Präsentation von Kunstgut im Internet

Wenn sich Diebe Werke im Internet aussuchen können ist das für sie ein Beschaffungsvorteil. Man kann aber von seriösen Käufern verlangen, dass sie sich im Internet informieren, bevor sie Werke unklarer Herkunft erwerben. Diebesgut dürfte deshalb schwerer verkäuflich werden. Wer Angst um sein Werk hat oder anonym bleiben will, muss im Internet nicht anschreiben, wer er ist und wo sich sein Werk befindet.

Wer wird durch die Präsenz von Kunstwerken im Internet geschädigt?

Manche Leute wollen Werke im Original sehen, weil sie diese im Internet kennen gelernt haben. Andere werden zu Hause bleiben, weil sie Werke schon aus dem Internet kennen und ihnen das genügt. Das schlimmste für ein Museum dürfte sein, wenn die Werke vergessen werden. Das Internet kann hilfreich sein, damit das nicht passiert. Wenn die Kunst in guter Qualität ins Internet kommt, führt das möglicherweise zu einem Einbruch beim Reproduktionsverkauf. Das trifft den Kiosk des Museums. Doch sind die Werke für den Museumskiosk da oder für die Menschen und für die Öffentlichkeit? Es bleibt die Frage: Was ist mit einer Entschädigung für den noch lebenden Künstler? Wird das Werk mit Gewinn weiter verkauft bekommt der Künstler nichts. Sind seine Werke im Internet zu finden, so erhöht das die Erreichbarkeit und den Bekanntheitsgrad des Künstlers. Dies ist sein Vorteil.