Das ganze Leben
The entire life
La vie entière
November 2011
Die kulturelle Funktion der Heiligkeit
Was macht eine Kultur überlebensfähig?
Unsere Kultur funktioniert weil es Leute gibt die arbeiten und etwas erreichen wollen. Doch vielleicht ändert sich das Klima, ändert sich die Bevölkerungsdichte, ein Rohstoff wird aufgebraucht oder eine Nutzpflanze gedeiht nicht mehr wie man das von ihr erwartet. Es gibt viele mögliche Veränderungen, die schwierig zu bewältigen sind.
In einer Kultur in der niemand dem Anderen hilft, niemand den Andern vor Gefahren warnt und niemand Hilfe und Schutz anbietet, werden viel mehr Kinder erkranken und verunfallen, weil sie nicht die Erfahrung haben, Gefahren zu erkennen und angemessen zu reagieren. Wenn im Arbeitsleben niemand Fehler und Unterlassungen Anderer und sonstige Risiken auffängt, wird jeder Fehler seine negative Wirkung erzeugen. Ein friedliches Zusammensein und eine komplexe Wirtschaftsstruktur könnten unter solchen Umständen nicht funktionieren. Eine Gesellschaft in der jeder auf seinen Vorteil achtet und darum für ihn unangenehme Vorstellungen und Tatsachen ausblendet, ist nicht zu weit reichenden Lösungen fähig. Sie kann deshalb, selbst wegen Kleinigkeiten zusammenbrechen. Darum sind Menschen, die das Ganze, das Richtige, das Heile immer wieder als ebenso wichtig wie den eigenen Vorteil erkennen und danach handeln, so wichtig. Ohne sie degeneriert die Gesellschaft.
Eine rein materialistische Kultur ist hungrig-dynamisch. Eine hungrige Kultur braucht neues Land, neue Räume, neue Dinge und Menschen, die kontrolliert werden können. Weil es aber auf der Erde keine neuen Räume gibt, zerstört eine auf Dynamik ausgerichtete Kultur in das Vorhandene.
Wer sein Denken und Fühlen ganz auf die Befriedigung materieller Wünsche ausrichtet, hat eine schwierige Aufgabe. Denn jede Erfüllung eines Wunsches ist der Boden auf dem neue Wünsche wachsen. Die Frau, welche nun endlich ihre Traumfrisur gefunden hat, will bestaunt und bewundert werden und die Traumfrisur wird nicht ewig halten. Wer sein Denken und Fühlen ganz auf die Befriedigung materieller Wünsche ausrichtet, wird vielleicht oft Befriedigung erfahren; nie aber Frieden und Heiligkeit finden, denn Friede und Heiligkeit sind Zustände und nicht materielle Werte.
Die Dimensionen des Friedens, der Schönheit und der Heiligkeit sind für die Qualität einer Kultur von grosser Bedeutung
Friede und Heiligkeit sind Dimensionen in denen man verweilen möchte, wenn man sie erlebt hat. Sie sind das Gegenstück zu einem, an die Gier gebundenen Leben. Wenn die jungen Menschen eine Zukunft haben wollen, dann müssen sie die Denkweisen, welche ihnen die Alten gebracht haben zurückweisen und eine bessere Kultur aufbauen!
Clash der Kulturen?
Es geschieht überall und immer wieder, dass Gruppen, deren Interessen sich tangieren, schwerstens aufeinander prallen. Die Tatsache, dass Menschen an solchen Aktionen immer wieder freiwillig und mit Begeisterung mitmachen, zeigt dass Menschen einen gefährlichen Charakter haben. Statistiken zeigen, dass Menschen in einer Umgebung, in der sie sich anerkannt und geborgen fühlen, viel weniger zu Gewaltexzessen und zu anderen gefährlichen Unternehmungen hingezogen fühlen, als in einer Kampfkultur.
Eine gute Kultur macht die Menschen kaum besser, sie führt aber zu einer Abnahme von Gewaltexzessen. Eine gute Kultur ist die Grundlage für ein friedfertigeres Zusammenleben.
Diese Einsicht muss Konsequenzen haben. Vorab sind die kulturell Tätigen gefragt, die Beschreibungen, Bilder und Lösungsansätze bringen und Massstäbe setzen können. In der Folge müssen die bestehenden Vorstellungen und Lösungsansätze in der Politik und in der Gesetzgebung aufgearbeitet werden. Hier sind Mut und Hoffnung gefragt. Aber ohne Mut riskieren wir, dass sich unsere Kultur in einer schmerzenden Abwärtsspirale verfängt.