Juli 2011
Selbstorganisation und Leben
Selbstorganisation in der Natur
Materie: In Salzlösungen entstehen unter gleichen Kristallisationsbedingungen gleichartige Kristalle. Die Kristallisation der Salze in Lösung ist überblickbar und wiederholbar. Sie folgt vorgegebenen Regeln. Materie wird wahrgenommen als Vielheit dynamischer Systeme, die dazu neigen Ordnungen zu bilden (Atom, Molekül, Kristallisation).
Pflanzen: Die Sonnenblume bringt ihre Früchte zur Reife. Im Tagesablauf dreht sie ihre Blüten in die Richtung aus der die Sonne scheint. Das geschieht bei allen Pflanzen auf einem Feld in gleicher Weise. Pflanzen können ihre Verletzungen schliessen. Das geschieht individuell, nachdem eine Verletzung entstanden ist. Für den Baum ist es lebenswichtig, dass sein Flüssigkeitshaushalt nicht durch eine offene Wunde in seiner Rinde gestört wird. Eine entstandene Schadstelle verheilt.
Tiere: Es gibt Vorgänge wie Atmung, Verdauung, Wachstum, Heilung, die Symbiose zwischen dem Kolibri und der Orchidee; die Organisation des eigenen Überlebens, die Paarung. Tiere fressen bei Krankheit selektiv heilende Pflanzen. Vögel stellen Werkzeuge her und benutzen diese. Manche Tiere können Musterung und Farbe ihrer Umgebung anpassen. Was davon ist dem Bewusstsein zuzuordnen, was dem Unterbewusstsein und was wird vielleicht im betreffenden Körperteil selbst geregelt – selbst organisiert?
Beim Menschen ist Selbstorganisation offensichtlich: Es gibt wohl kaum jemanden, der behauptet, dass für ihn Selbstorganisation nicht existiere, dass er keinen eigenen Willen habe, keine Eigenverantwortung wahrnehme und dass er auf seine eigenen Taten und Tätigkeiten keinen Einfluss ausübe. Unbewusste Vorgänge können durch Schulung und durch Übung ins Bewusstsein gebracht und beeinflusst werden: der Herzschlag, die Verdauung, die Atmung, die Denkvorgänge.
Funktioniert Selbstorganisation unbewusst und unfrei, unterbewusst, wissend oder wissend und frei? Wie tot ist die „tote“ Materie? Sicher ist, dass sie uns unfrei erscheint, denn mit ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften und dem sich daraus ergebenden Verhalten lässt sich zuverlässig rechnen.
Leben
Ich bin lebendig, sagen wir. Auf Grund meines Umgangs mit mir selber erfahre ich, was mit dem Begriff „lebendig sein“ gemeint ist. Des Nachbarn Innenleben kenne ich nicht. Der Nachbar sieht ähnlich aus wie ich, er agiert und reagiert ähnlich. Da fällt der Schluss nicht schwer, dass er wohl auch, wie ich, lebendig sei. Wir werden einen Hund als lebendig bezeichnen und auch einen Baum. Der Zugang zum Leben, der uns offen steht ist nicht ein wissenschaftlich beweisbarer, sondern einer, der uns auf Grund unserer eigenen Erfahrung zur Verfügung steht. So können wir das Leben kaum als wissenschaftlich erfassbar, aber als direkt erfahrbar bezeichnen.
Wir zählen Merkmale auf, die das Leben ausmachen. Diese könnten aber auf einem anderen Planeten, bei anderen Bedingungen anders sein. Wie weit der Bereich des Lebendigen reicht, ob dieser Begriff vielleicht gar alles Existierende umfassen soll, darüber lässt sich kaum argumentieren ohne dass wir ins Dogmatische verfallen. Wie wäre es, wenn wir einfach sagen würden: Wo Selbstorganisation ist, da ist Leben?
Eine mechanische Puppe oder ein Computer, die sich selbst organisieren, können wir jedoch kaum als lebendig bezeichnen, während ein aus Genschnipseln zusammengebautes Gebilde durchaus als lebendig gesehen werden kann. Wieso?
Puppe und Computer sind Kunstgebilde, die durch ihr Konzept begrenzt sind. Demgegenüber wirkt möglicherweise selbst im Schnipselgebilde aus Natur-Zerschnitt das, was als natürliche, dynamische Selbstorganisation bezeichnet werden kann. Die Selbstorganisation des Naturobjektes kann mit der Selbstorganisation der gesamten Natur in Wechselwirkung treten.